Farbe?

Eine Ausstellung von
Horst Esser, Thorsten Fuhrmann, Karin Karrenbauer-Müller,
Heidekarin Konwalinka, Michael Kreuter und als Gast Ilka Niederfeld

Einführung

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kunst und des Kulturvereins „ausstellwerk“


ich darf Sie ganz herzlich zu unserer Ausstellung begrüßen!
Sie werden heute zwei Ein- oder Hinführungen zu hören bekommen. Thorsten Fuhrmann wird aus der Sicht des Künstlers und Kulturgeschichtlers zum Thema sprechen, während ich eher meinen ganz persönlichen Zugang zur Farbe als Ausstellungsthema einbringen möchte.
Aber im Grunde darf ich Ihnen viel mehr von meinen Irrungen und Wirrungen bei der Ausarbeitung zu dieser Einführung berichten, als von einem zielstrebigen Auffassen des Themas an sich.
Schon bei meinem kürzlichen Aufenthalt in Irland, das ja mit seiner Farbpalette einen ganz eigenen Beitrag über seinen Charakter an uns vermittelt, --das Grau, der Regen, ein ernster Hintergrund bei all den grünen Wiesen, den Cottages und dem Blau des Atlantiks--, schon dort hatte ich mir, bei einer angenehmen Stunde in meinem Hotelzimmer mit Blick auf den Park, zusammengestellt, über welche Eckpunkte ich zu meinen Aussagen finden wollte.
"Was wäre eine Welt ohne Farben?" notierte ich mir. Vielfalt in den sinnlichen Erfahrungen fordert Vielfalt im sprachlichen Ausdruck. Aber beinahe gleichzeitig musste ich an die Schwarzweiß Photographien Sebastiao Salgados und Peter Lindberghs denken. Gegensätze und Ausdrucksmittel. Kontrast, Strukturen und Konturen. Auf der anderen Seite die Farben des Frühlings, wie wir ihn eben sehen und erleben dürfen und die Ausdruckskraft der Werke dieser Künstler. Darin liegt doch die gesuchte Vielfalt. Zudem kam mir ein Buch Oliver Sacks, „Die Insel der Farbenblinden“ in den Sinn. Der eine oder andere von Ihnen kennt es vielleicht. Ein winziges Atoll in der Südsee; dreißig Prozent der Einwohner sind vollkommen farbenblind.
Einsteigen wollte ich über die Inuit, von denen ja behauptet wird, sie hätten markant mehr Begriffe für Schnee als wir. Denn das leuchtet doch ein: was Leben und Kultur prägt, drückt sich notwendig in der Sprache aus. Was vielfältig im Erleben ist, ist auch vielfältig in Kultur und Kunst.

 


Aber keine Vortrag, keine Arbeit ohne Recherche. Vorgestern setzte ich mich nochmal an den Computer, um meine Ansätze zu prüfen.
Zuerst zu den Inuit und schnell im Netz gesucht. Aber es gibt keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Anzahl der Begriffe von Schnee zwischen ihnen und uns! Den Unterschied bildet die Sprache selbst. In den Sprachen der Inuit werden Einzelbezeichnungen zusammengefasst zu ganzen Wörtern. „Schneeflocken auf einem roten Hemd“ ließe sich also zu einem Wort bilden.
Mir rutschte ein Mundwinklel herunter. Ein Drittel meiner Ansätze waren schon nichtig. Aber, es gibt ja noch die Begriffe für die einzelnen Farben, und so suchte ich weiter. Das Ergebnis?
Ganz anders, als ich dachte:

  • Altgriechisch: die Farbe von Honig und Gras, bzw. Honig und Gras selbst, wurden mit dem gleichen Begriff benannt.
  • Altchinesisch: grün, blau dunkel-violett und schwarz wurden mit einem Wort benannt, das wohl auch nicht eine Farbe meinte, sondern eher „dunkel“ zum Ausdruck bringen sollte.
  • Vietnam: Worte für Braun, Rosa, Lila, Grau gibt es, aber nicht für Blau als konkreten Begriff.


Sie können sich vorstellen, wie ich mich fühlte. Mindestens etwas verunsichert. Oliver Sacks wird es aber richten, dachte ich mir.

  • Die vollkommen Farbenblinden besitzen ein ungewöhnlich gutes Nachtsehen, Tageslicht aber blendet sie. In Webarbeiten vermögen Sie Muster zu erkennen und arbeiten mit diesen auch, die wir aber nicht sehen können. Was für mich also einfarbig oder schlicht erscheint, offenbart in der Dämmerung diesen Menschen Zeichen. Irrig war aber von mir eine Annahme ganz besonders: Ich hatte mir gedacht, Farbe biete und zeige mehr, aber da diese Menschen, wie die in Platons Höhlengleichnis, keine andere Kenntnis von der Welt haben, fehlt Ihnen auch nichts. Sie fühlen sich nicht eingeschränkt.


Da war ich nun mit meinem Latein am Ende, und doch auch nicht. Wie über Stolpersteine wurde ich aufmerksam gemacht auf meine eigene Welt und darauf, dass sie nicht die allein Gültige ist. Was benötigen wir also? Offenheit und Aufmerksamkeit.
Lassen Sie uns also bitte mit Aufmerksamkeit Thorsten Fuhrmanns Ausführungen lauschen, lassen Sie uns mit Unvoreingenommenheit durch diese schöne Ausstellung gehen. Und wenn wir wieder heraustreten, wartet auf uns noch dieser Frühling mit seinen herrlichen Farben!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

PS. Recherchieren Sie bitte nicht weiter. Am Schluss ist alles noch viel komplizierter!

Hans Peter Schöler