Von Dämonen und anderen Ungereimtheiten
Ausstellung von Susanne Hanus; Stellwerk Huglfing

Eine Einführung von Hans Peter Schöler

Sehr geehrte Damen und Herren

liebe Freunde der Kunst und des Kulturvereins ausstellwerk
ich darf Sie heute ganz herzlich zur Ausstellung von Frau Susanne Hanus bei uns begrüßen!
Zuerst muss ich leider Thorsten Fuhrmann entschuldigen, der erkrankt ist. Seinen Text zur Ausstellung werden wir auf unserer Homepage veröffentlichen. Zudem möchte ich Sie ausdrücklich auf die Finissage am 07.10.2018 um 16:00 Uhr im Café Hey Schaffner hinweisen, zu der diesmal auch das bei uns übliche Künstlergespräch stattfinden wird.
Bevor ich fortfahre, möchte ich aber meinen Dank aussprechen:

  • an Herrn Käser, denn er brachte einen Eschenstamm von 1,5 Tonnen, etwa einhundert Jahre alt, mit seinen Rückewagen in den Lagerschuppen, der von ihm im Winter auch umgeschnitten worden war.
  • an Bürgermeister Kammhuber für die immer wieder großzügige Unterstützung. Wir sehen ganz genau das große Entgegenkommen und Engagement der Gemeinde für den Kulturverein.
  • an die Gemeindearbeiter, die mit Einfallsreichtum und Sachkenntnis den besagten Stamm im Ausstellungsraum aufstellten.


Auf die Vita von Frau Susanne Hanus wollte ich natürlich näher eingehen, aber da die Liste der Förderungen, Preise, Stipendien, Einzel- und Gruppenausstellungen so lange ist, habe ich mir, nach Rücksprache mit Frau Hanus, erlaubt, eine sehr kurze Fassung zu wählen.

  • Frau Hanus studierte von 1996 bis 2002 Malerei/Grafik und Bildhauerei an der HfBK Dresden, HdK Berlin und der Glasgow School of Art in Schottland; Diplom in Dresden.
  • 2002 bis 2004 Meisterschülerin bei Prof. Martin Honert, Hochschule für Bildende Künste, Dresden


Ihre vollständige Vita stellen wir ebenfalls auf die Homepage.

 

Sehr geehrter Damen und Herren,
ich gehe davon aus, Sie haben sie dabei, Ihre Dämonen und Ungereimtheiten! Meine treiben sich hier herum, da bin ich mir sicher, und wer mich näher kennt, hat vielleicht den einen oder anderen schon einmal gesehen.
Dämonen und Ungereimtheiten.
Wir wenden uns also Erscheinungen zu, die ganz und gar nicht gegenständlich sind. Die hier aber von der Kunst in das Gegenständliche, das Sichtbare gebracht werden sollen.
Was sind sie nun, diese Dämonen?
Zu Zeiten des klassischen Griechenlands sprach man hierbei vom Daimonion. Deutlich spricht Sokrates von ihnen. In seiner Rechtfertigung vor Gericht sprach er von seinem Daimonion, das ihn schon von Kindesbeinen an begleitete, als einer inneren Stimme göttlichen Ursprungs, das ihn immer wieder abhielt von der Ausführung einer unrechten Absicht. Etwas ganz anderes also, als
wir erwarten würden. Es, das Daimonion war die Gegeninstanz des Logos, die erkennt, was der Vernunft verschlossen blieb. Ihm, Sokrates, war sie immer ein Mahner, aber ohne je mit einem konkreten Rat zu ihm zu sprechen. Dieses Daimonion hatte nichts Negatives. Sokrates stellte das Daimonion sogar über die Götter, was zumindest ein Grund war, ihn mit dem Schierlingsbecher zu bestrafen.
Wie nähme es sich aus, wenn einer in der heutigen geschäftigen, schnellen, versachlichten Welt unerwartet seinem Daimonion folgen würde?
Das Daimonion des Sokrates auf der einen Seite, die Versuchung des heiligen Antonius auf der anderen: beide sind Gegenentwürfe, dort der Mahner, eine Art natürliches Gewissen, nicht hindernd, nicht ratend, dort die Verführung durch die Dämonen wie wir sie sehen, also negativ besetzt, dem Eros, den zahllosen Lastern. Vielen Meistern war diese Verführung Inspiration: Hieronymus Bosch, Max Beckmann, Salvador Dali, Max Ernst und vielen mehr. Was haben wir seit den Griechen gewonnen und was aus den Augen verloren?
Wie sind wir mit uns umgegangen und wie gingen wir seit der Manifestation des Christentums, seiner Machtentfaltung und seiner moralischen Wiedererstarkung in Cluny mit uns um? Ständig tragen wir das Kreuz der Sünden. Wir vermeiden, blenden aus, verleugnen. Selbstredend auch heute noch. Spontan kommt mir das Bild des selbst geißelnden Mönchs im Film „Der Name der Rose“ in den Sinn.
Bei den Naturvölkern hingegen bevölkern die Dämonen die belebte und unbelebte Welt. Dersu Usala in Akiro Kurasawas gleichnamigen Film, der Mann, der in den Wäldern Ostsibiriens lebte, spricht über die Erscheinungen der Natur (Wasser, Wind, alle Lebewesen, auch der Sonne) von „Leut“. Da ist alles ineinander verwoben, alles lebt, alles ist wesenhaft. Man ist übrigens, wie ich las, der Auffassung, dass unter dem Einfluss der christlichen Missionierung bei den anamistischen Religionen sich der Begriff des Dämonen ebenfalls ins Negative gewandelt hat, bis hin zu Teufel, Luzifer, Satan, beziehungsweise deren Helfern.
Die Griechen sahen den Menschen noch in der frühen klassizistischen Epoche als Ganzes; mit oder seit Platon änderte sich das, der Mensch trat schließlich ein in einen Dualismus, der uns heute, mit Descartes, nicht mehr loslässt. Cogito ergo sum. Selbstvergewisserung über einen Bruchteil unseres Wesens.
Und was sind heute unsere Dämonen? Die böse gewordenen Geister sind übergegangen in die psychologische Dimension. Keine Wesen, sondern Ängste fassen uns. Unheimlich tauchen sie immer wieder auf, gleichwohl wir sie zu meiden suchen, verwandelt, gewandelt, aber leugnen können wir sie nicht. Sie begleiten uns meist ein Leben lang. Am Baumstamm in der Lagerhalle stoßen Sie auf diese Dämonen, in den Bildern ebenso. Was ging alles über den einhundert Jahre alten Baum hin? Wie ging die Geschichte durch ihn hindurch und welche Dämonen streiften ihn angesichts der Menschen, die ihn umstanden und berührten?
Thorsten Fuhrmann schrieb mir: Bei ihren Arbeiten handelt es sich um gegenständliche Darstellungen: Figuren und traumhafte Sequenzen, die auf die Dämonen, die Fantasie verweisen. Da ist dann die Frage: „Was will uns die Künstlerin damit sagen?“ nicht weiterführend, sondern wir, die Besucher, sollten uns selbst fragen, „Was spricht mich in diesen Bildern an? Welche Dämonen stecken in mir?“

Ich wünsche Ihnen und mir in diesem Sinne eine spannende Bestandsaufnahme und eine schöne Ausstellung mit Susanne Hanus in unseren Räumen, dem Lagerschuppen und dem Stellwerk.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!